TV- Empfehlung: “Kreuz & Quer” (Wiederholung vom 17.6.2008)
Dokumentation: Schadensfall Kind? anschließend Diskussion: Vorgeburtliche Diagnose
Kommentar siehe unten.
Kreuz & Quer: Schadensfall Kind? – Mo 20.10.2008 22:25-23:00 (3sat)
Dokumentation von Brigitte Wojta
Kann ein behindertes Kind zum “Schadensfall” werden? Fakt ist: Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat den Eltern eines behinderten Kindes dessen gesamten Unterhalt – rückwirkend seit der Geburt – zugesprochen, weil beim Organscreening des Embryos die Anzeichen auf eine Behinderung übersehen worden waren. Die Eltern argumentierten, dass sie die Schwangerschaft abgebrochen hätten, wenn man ihnen rechtzeitig mitgeteilt hätte, dass das Kind behindert sein würde. Das Urteil hat für große Aufregung gesorgt. Zwar ist die angemessene Begleitung und Förderung eines schwerbehinderten Kindes aufwendig und teuer. Aber dass nun die Eltern nicht ausschließlich die Mehrkosten ersetzt bekommen, sondern die gesamten Lebenshaltungskosten, hat Kritiker auf den Plan gerufen. Sie sehen mit diesem Entscheid die Lebensexistenz behinderter Menschen infrage gestellt. “Schadensfall Kind?” aus der Reihe “Kreuz & Quer” thematisiert die oft schwierige Entscheidung von Eltern, die ein behindertes Kind erwarten und stellt andererseits Menschen vor, die freiwillig behinderte Kinder als Pflegekinder in ihre Familie integrieren. © ORFKreuz & Quer: Vorgeburtliche Diagnose – Mo 20.10.2008 23:00-23:55 (3sat)
Diskussion: Rechtliche, gesellschaftliche und ethische Aspekte
Mit Erwin Bernat (Professor für Medizinrecht, Graz), Barbara Maier (Gynäkologin, Salzburg), Gerhard Luf (Rechtsphilosoph) und Albert Brandstätter (Lebenshilfe Österreich) Gesprächsleitung: Günter Kaindlstorfer
Über die Chancen und Problemen der vorgeburtlichen Diagnose diskutieren unter der Leitung von Günter Kaindlsdorfer Experten und Betroffene über rechtliche, gesellschaftliche und ethische Aspekte des Themas. Zu Gast sind Barbara Maier, Gynäkologin, Gerhard Luf, Rechtsphilosoph, Erwin Bernat, Professor für Zivilrecht sowie Albert Brandstätter von der “Lebenshilfe Österreich”. © ORF
Kommentar:
-> Zum Film: “Schadensfall Kind?”
Es wurde leider mehrmals die Bezeichnung “Wasserkopf” verwendet, welche negativ besetzt ist. Dieses Symptom sollte besser durch den (zwar gleichbedeutenden) medizinischen Begriff “Hydrocephalus” ersetzt werden. Durch frühe operative Behandlung dieser Störung der Liquorzirkulation der Ventrikel (mittels Ableitung der Gehirnflüssigkeit) entsteht aus dieser Ursache keine Behinderung.
Beim Bericht über den 32-jährigen Dietmar (er hatte dieses Symptom) – der bei einer Pflegefamilie integriert aufwachsen konnte – fand ich schade, dass er nicht eine normale Arbeitsstelle hat, sondern in der Sonderwelt einer Behindertenwerkstätte arbeitet.
Dr. Karl Philipp, Vorstand der Abteilung für Gynäkologie im SMZ Ost, sprach im Zusammenhang mit der Tötung behinderter Kinder (Anm.: Bis zur Geburt), von “Kindern, die kein lebenswertes Leben vor sich haben, …”. Wie kann und darf er so etwas sagen?
DKKS Andrea S. von der Behinderteneinrichtung “Schwedenstift” brachte gut und richtig zum Ausdruck, dass die Entscheidung von Eltern, ob sie selber für ihr Kind sorgen wollen oder das Kind in einer Einrichtung betreuen lassen, in jedem Fall zu respektieren sei.
Dazu ist aber auch anzumerken: Betroffene Eltern brauchen eine bessere Wahlfreiheit für solche Entscheidungen. Leider werden die behinderungsbedingten Mehrbelastungen bei familiärer Pflege nur zu einem sehr geringen Teil solidarisch getragen, den Löwenanteil “dürfen“ die Betroffenen mit dem Leben “bezahlen”.
-> Zur Diskussionsrunde: “Vorgeburtliche Diagnose”
Es war unklug, dass keine Betroffenen geladen waren. Auch z.B. Pflegeeltern behinderter Menschen aus dem Vorfilm wären prädestiniert gewesen, eine Meinung zu vertreten, die sich nicht in der Juristerei verrannt hat, sondern mit dem Leben geschrieben wird.
So wurde in der Diskussion, ohne Bezug zum Leben und ohne Bezug zum Vorfilm, der Relativierung des Lebenswertes und Beliebigkeit des Lebensrechtes das Wort geredet.
Herr Albert Brandstätter von der Lebenshilfe hat sich wacker geschlagen, indem er eine solidarische Lösung forderte, m.E. der einzig vernünftige und akzeptable Ausweg aus dem juristischen und ethischen Dilemma.
Ähnlich wie im Film durch OGH-Vizepräsident Dr. Ronald Rohrer festgestellt, kam auch in der Diskussion klar heraus, dass das zentrale Problem nicht das OGH-Urteil an sich (es ist leider nur konsequent), sondern die rechtlich unhaltbare und unerträgliche “Legalität” der eugenischen Indikation ist und der Gesetzgeber gefordert ist, diesen eklatanten Verfassungsbruch endlich zu bereinigen!
Gerhard Lichtenauer, Österreichische Bürgerinitiative “Daheim statt Heim” [URL entfernt, Anm.] und Katja’s Blog (www.katja.at)
Nachtrag 27.05.2010:
Weitere Informationen zum Thema bei IMABE – Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik: Dossier: „Kind als Schaden“
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