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30.10.08 - Gerhard Lichtenauer - Druckansicht und drucken

NÖ Betreuungs- Verordnung

Hintergründe, wie es zur neuen “NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung” im Frühjahr 2006 kam:

Volksanwalt Dr. Kostelka forderte die NÖ Landesregierung auf, diese (seit etwa dem Jahr 2000) säumigen Richtlinien per Verordnung festzulegen. Der Volksanwaltschaft wurde bis Jahresende 2005 eine entsprechende Verordnung zugesagt. Im 24. und 25. Bericht (2004-2005) der Jahresberichte der Volksanwaltschaft an den Niederösterreichischen Landtag wird davon berichtet. Siehe Einzelfall VA NÖ/197-GES/05; Amt der NÖ LReg LAD1-BI-63/087-2005 (PDF) (DOC) [Anm.: Rote Hervorhebung nicht im Originaltext]:

4.1.2.2Fehlende Verordnung für die Unterbringung Behinderter – NiederösterreichischeLandesregierung

Die VA begrüßt diese Entwicklung, die einen Beitrag zur bestmöglichen Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen leisten kann.

Die VA begrüßt die Erlassung einer Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung mit näheren Vorgaben für den Betrieb stationärer und teilstationärer Einrichtungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

Einzelfall:

VA NÖ/197-GES/05; Amt der NÖ LReg LAD1-BI-63/087-2005

Frau L. (Lichtenauer Charlotte, Anm.), die ihre schwerst behinderte Pflegetochter seit vielen Jahren äußerst engagiert betreut und pflegt, wandte sich im Zusammenhang mit einer mittlerweile wieder beendeten Pflegeheimunterbringung ihrer Pflegetochter an die VA. Eine nähere Überprüfung des von Frau L. gegenüber dem Heim geäußerten Beschwerdevorbringens gestaltete sich jedoch als schwierig, weil es bislang keine Verordnung über die Mindesterfordernisse für stationäre Einrichtungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen gab:

Gemäß § 51 Abs. 3 NÖ SHG hat die Landesregierung durch Verordnung Richtlinien für den Betrieb stationärer und teilstationärer Einrichtungen für pflegebedürftige Menschen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu erlassen. Diese Verordnung hat u.a. Mindesterfordernisse über die zur Sicherstellung einer fachgerechten Sozialhilfe notwendigen sachlichen und personellen Voraussetzungen festzulegen sowie konkrete Vorgaben über die bauliche Gestaltung, Ausstattung und Größe der Gebäude und Räume zu treffen und die Beziehungen zwischen der Einrichtung und den betreuten Personen zu regeln.

Bisher hatte die Landesregierung jedoch nur die NÖ Pflegeheimverordnung erlassen, deren Geltungsbereich ausschließlich Einrichtungen der altersbedingten Betreuung und Pflege von Menschen umfasst.

Die VA wies im Prüfungsverfahren auf die fehlende Verordnung hin. Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung sicherte zu, nach Abschluss der Art. 15a B‑V,G-Vereinbarung über Sozialbetreuungsberufe die bisherigen internen Richtlinien zu überarbeiten und in der Folge in einer Verordnung transparent zu machen. Mittlerweile liegt bereits ein Entwurf zur NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung vor.

Das war etwa Stand Herbst 2005 (Entwurfsphase der Verordnung).

In einem vorangegangenen Brief der Volksanwaltschaft an uns vom 11.8.2005 heißt es seitens Volksanwalt Kostelka:

Mir war es gerade wegen Ihrer Erfahrungen wichtig, der Landesregierung klar zu machen, dass das Land Niederösterreich als Träger der Sozial- und Behindertenhilfe keinesfalls akzeptieren kann, dass Behinderte von Einrichtungen ohne Bekanntgabe von Gründen und ohne Einhalten einer Kündigungsfrist vor die Tür gesetzt werden können.

Im Schlußabsatz dieses Schreibens der VA wurde auch angekündigt:

Die Volksanwaltschaft wird in ihrem nächsten Tätigkeitsbereicht an den niederösterreichischen Landtag die gesamte Problematik (bislang fehlende Verordnung, Kündigung) darstellen und dafür sorgen, dass die Landesregierung als Aufsichtsbehörde die notwendigen Konsequenzen zieht.

Ergo: Die fristlose Kündigung wurde im oben zitierten VA-Jahresbericht als “mittlerweile wieder beendete Pflegeheimunterbringung” beschrieben. Ob die Volksanwaltschaft “die gesamte Problematik” abgesehen von der oben zitierten völlig verzerrten und abgeschwächten Fallschilderung anderweitig dem NÖ Landtag oder der NÖ Landesregierung dargestellt hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Konsequenzen wurden unseres Wissens, seitens der NÖ Landesregierung bis heute keine gezogen. Das liegt wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass der ungesetzliche Rauswurf vom Pflegeheimbetreiber mit der Aufsichtsbehörde abgestimmt war.

Verordnungsentwurf unzureichend

Im Verordnungsentwurf der “NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung” (Dez. 2005), wie diese Mindeststandards nun bezeichnet wurden und welche vermutlich die bisherigen internen Richtlinien abbildeten, sahen wir eindeutig Verletzung von Gleichbehandlungsgrundsätzen. In der NÖ Pflegeheimverordnung verankerte Mindeststandards (Regelungen betreffend Pflegedienstleitung, ärztliche Leitung, freie Arztwahl, und vieles mehr) müssten aus unserer Sicht hier ebenfalls vorausgesetzt werden. Zusätzlich wären Voraussetzungen aufgrund der besonderen Bedürfnisse von Bewohnern mit Behinderung zu berücksichtigen. Hier sind Kopien des Verordnungsentwurfs und der Erklärungen:

“Entwurf der NÖ Wohn-und Tagesbetreuungsverordnung” Download original (.doc)
(Zur Gesamtansicht in neuem Fenster rechtes Symbol klicken)

“Erläuterungen Zur NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung” Download original (.doc)

Es darf einfach nicht sein, dass unterschiedliche Pflegeschlüssel, Personal-Qualifikationen, Qualitätsstandards und Qualitätssicherungsmaßnahmen vorherrschen bei gleicher Pflegebedürftigkeit, abhängig von der Ursache der Pflegebedürftigkeit (Unfall, Alter oder Behinderung)!

Das Etikett “behindert” darf nicht (wie bisher) zu Abstrichen in der rechtlicher Absicherung von Pflegequalität in stationären Einrichtungen führen!

Der Status Quo in den Behindertenheimen (neuerdings als “integrative Wohngemeinschaften” mit “Normalisierungsprinzip” kaschiert), sollte offensichtlich per Verordnung einzementiert werden.
Obwohl wir inzwischen überzeugt waren, dass dieses überholte Modell stationärer Betreuungsformen ohnehin nicht reformierbar ist, es für Katja auch nicht mehr relevant war, sahen wir doch eine große Verantwortung für die, welche (noch) gezwungen oder mangels Alternativen genötigt sind, in (Aus-)Sonder(ungs)-Anstalten zu leben.

Wir machten daher im Jänner 2006 vom Recht der Bürgerbegutachtung Gebrauch und informierten einflußreiche Personen in Politik und zuständigen Stellen darüber:

“Stellungnahme zum Entwurf NÖ Wohn-und Tagesbetreuungsverordnung” Lichtenauer Charlotte, DKKS und Gerhard Lichtenauer (10.01.2006) Download original (.doc)

“Stellungnahme zum Entwurf NÖ Wohn-und Tagesbetreuungsverordnung Nachtrag” Lichtenauer Charlotte, DKKS und Gerhard Lichtenauer (20.01.2006) Download original (.doc)

Die ÖAR verfasste ebenfalls eine kritische Stellungnahme zum Entwurf der NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung / 19.1.2006 (der Text ist im Online-Archiv der ÖAR leider nicht mehr abrufbar).

Auf mein Drängen beim damaligen Vorsitzenden des ÖGKV Landesverbandes Niederösterreichs konnte dieser “zumindest erreichen, dass auch die Pflegeaufsicht des Landes die fehlende ‘Pflege’ in der Verordnung in ihrer Stellungnahme beanstandete”.

Verabschiedete “NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung” ebenfalls unzureichend

Der Entwurf wurde nach der Bürgerbegutachtung überarbeitet, die Verordnung wurde am 21.04.2006 kundgemacht und trat per 1. Mai 2006 in Kraft:
NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung” LGBl.9200/8-0  (html) (pdf) (rtf)

Es wurde darin zwar einiges gegenüber dem Entwurf verbessert, die wesentlichen Mindeststandards sind jedoch weiterhin zu unverbindlich gefasst. Eine Möglichkeit des Einspruches gab es jedoch nicht mehr.

Es scheint so, als wurde diese Verordnung nur für den Volksanwalt und für uns Kritiker verfasst, einen “Beitrag zur bestmöglichen Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen” wie es die Volksanwaltschaft ausdrückt, wird diese Verordnung kaum leisten können. Ich bezweifle, ob dieses Papier in den letzten fast drei Jahren in den Behinderteneinrichtungen Niederösterreichs überhaupt Veränderungen bewirkt hat.

Hier die Kritikpunkte zur bestehenden Verordnung:

  1. §2 Begriffe: Gegenüber der NÖ Pflegeheimverordnung sind “Pflegeplätze” mit 1 bis 3 Klienten hier nicht vorgesehen. Wollte man bewußt solche kleinen familiären Pflege-Settings, wie wir als (“ehemalige”) Pflegefamilie es sind, von öffentlicher Förderbarkeit ausschließen?
  2. §7 Qualifikation Abs.4: “In stationären Einrichtungen in denen überwiegend schwerstbehinderte Menschen betreut und gepflegt werden, muss die Personalausstattung den Vorgaben des § 8 der NÖ-Pflegeheimverordnung LGBl. 9200/7 entsprechen.” Das lässt die Interpretation einer >50 % – Regelung zu und wird mit ziemlicher Sicherheit auch so gehandhabt. Nach GuKG, darf jedoch keine einzige schwerst pflegebedürftige Person in einer Einrichtung ohne entsprechende Qualifikation und pflegerechtliche Befugnis gepflegt werden!
  3. §8 Leitung: Hier gibt es keine Angaben dazu, über wieviele Einrichtungen, in welchen Entfernungen voneinander ein Einrichtungsleiter zuständig sein darf, das sind ideale Voraussetzungen für riesige und weitverzweigte Organisationen (laut Abs.5 möglich), die in den einzelnen Niederlassungen in der Praxis ohne verantwortliche Strukturen vor Ort agieren dürfen bzw. müssen. Ausserdem ist für eine Leitungsfunktion eine fachspezifische Berufsausbildung im Sozial- oder Gesundheitsbereich gefordert. Interessant ist aber, dass laut Abs.2 für eine Einrichtung für psychisch beeinträchtigte oder suchtkranke Menschen sehr wohl eine spezifische Qualifikation gefordert wird. Das dürfte ein grober Mangel im Sinne des GuKG sein, dass für pflegerische Agenden keine entsprechende Qualifikation der Leitung vorausgesetzt ist.
  4. §9 Dokumentation: Die beschriebene Verlaufsdokumentation über therapeutisch-medizinische Maßnahmen ist keine verbindliche Pflegedokumentation, die laut GUKG nur durch befugtes Personal erstellt werden darf und in Pflegeeinrichtungen normativ zu führen ist.
  5. §19 Übergangsbestimmungen: Dass §3 bis §6 (Infrastruktur, einrichtungsspezifische Anforderungen, Raumbedarf und Einrichtungsgröße) für bestehende Einrichtungen nicht anzuwenden sind und nicht einmal Übergangsfristen festgelegt sind, macht diese Verordnung mehr als wertlos! In bisher bereits betriebenen Einrichtungen darf fast alles bleiben, wie es “historisch gewachsen” ist.

Resümee

Die endgültige “NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung” vom 21.4.2006 lässt zwar gegenüber dem Entwurf vom Dezember 2005 und auch gegenüber den Realitäten in den Behinderteneinrichtungen einige Verbesserungen erkennen, die meisten Kritikpunkte im Rahmen der Bürgerbegutachtung (unsere Schreiben vom 10. und 20.1.2006) sind jedoch nicht berücksichtigt, so dass unser Vorwurf der Verletzungen von Gleichbehandlungsgrundsätzen und Gefährdung von Bewohnern und Mitarbeitern aufrecht bleibt. Es gab nur kein Rechtsmittel mehr gegen diese unzureichende Verordnung!

In Behinderteneinrichtungen, die sich als “sonderpädagogische” Wohneinrichtungen definieren, jedoch schwerstbehinderte Menschen mit hohem Pflegebedarf betreuen, wird das Recht auf pflegerische Qualität und Sicherheit m.E. ungesetzlich und wissentlich vernachlässigt, es findet oftmals illegaler Pflegeheimbetrieb statt.

In Pflegeheimen nach der NÖ Pflegeheimverordnung trifft genau das umgekehrte Manko zu: “Warm-satt-sauber” und “sicher” gepflegt (auch nicht immer), jedoch heilpädagogische Wüste und behinderte Menschen dort lebendig begraben.

Der rechtliche Schutz der Bewohner von Wohnheimen und Tagesheimstätten für Menschen mit Behinderungen ist mit der “NÖ Wohn- und Tagesbetreuungsverordnung” bei hoher Pflegebedürftigkeit nicht ausreichend gewährleistet.

Einrichtungsbetreiber und Aufsichtsbehörden gefährden die körperliche Integrität der zur Obhut anvertrauten Personen und agieren fahrlässig bis grob fahrlässig gegenüber ihrer Organisations- bzw. Aufsichtsverantwortung!

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Anmerkung: Verfasst und passwortgeschützt online gestellt am 30.10.2008, allgemein veröffentlicht am 12.04.2012

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    Automatische Übersetzung ist weit davon entfernt, perfekt zu sein, hilft aber, den Inhalt ansatzweise zu verstehen. Original: Deutsch


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